A6NEU: Kapitel 4: Zusammen leben
Veranstaltung: | KüstenGrün Grundsatz |
---|---|
Antragsteller*in: | Georg Berner-Waindok (KV Wilhelmshaven) |
Status: | Modifiziert |
Eingereicht: | 01.07.2020, 10:50 |
Antragshistorie: | Version 1(01.07.2020) Version 1(28.08.2020) |
Veranstaltung: | KüstenGrün Grundsatz |
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Antragsteller*in: | Georg Berner-Waindok (KV Wilhelmshaven) |
Status: | Modifiziert |
Eingereicht: | 01.07.2020, 10:50 |
Antragshistorie: | Version 1(01.07.2020) Version 1(28.08.2020) Version 1 |
(161) Offen ist eine Gesellschaft, in der alle Bürger*innen die gleichen Rechte
und
Möglichkeiten haben, die die Unterschiedlichkeit von Menschen und Regionen als
Stärke
begreift und als Wert verteidigt und den Schutz von Minderheiten gewährt. Die
offene
Gesellschaft ist eine gewaltfreie. Ihre Grenzen findet sie in den Rechten und
Freiheiten der
Mitmenschen. Die offene Gesellschaft hinterfragt sich, lernt und ist
selbstkritisch. Sie
beruht auf Bedingungen, die sie selbst nicht schützen kann. Deshalb sind der
Schutz und die
Arbeit für sie eine dauernde politische Aufgabe.
(162) Menschen sind unterschiedlich, aber ihre Rechte und ihre Würde sind
gleich. Eine
vielfältige, diskriminierungsfreie, gleichberechtigte Gesellschaft bedeutet
demokratischen
Fortschritt für alle. Sie entwickelt sich stets weiter und handelt permanent die
Regeln
ihres Zusammenlebens neu aus. In einer pluralistischen Gesellschaft bilden
gleichberechtigte
Individuen aus vielfältigen Perspektiven ein Bündnis für ein gemeinsames Wir zum
Schutz und
zur Förderung von Freiheit und Würde.
(163) „Wir“ schließt alle ein, die in unserem Land leben. Wir sind
unterschiedlich, aber uns
verbindet Respekt und Akzeptanz allen Menschen gegenüber, unabhängig davon, wie
sie leben,
lieben, glauben und aussehen. Das macht den Reichtum unseres „Wirs“ aus.
(164) Die regionale Vielfalt, die verschiedenen historischen Erfahrungen und
unterschiedlichen Lebensstile der Menschen machen Deutschland aus. Auch die
historische
Spaltung in Ost und West durch den Kalten Krieg sowie die Verwerfungen nach der
Wiedervereinigung haben Deutschland geprägt. Unterschiede anzuerkennen, zu
schützen und
zugleich den sozialen Zusammenhalt zu stärken ist unsere Verpflichtung. Es ist
Verantwortung
des Staates, die Lebensbedingungen in sich ökonomisch und strukturell
unterschiedlich
entwickelnden Regionen im gesamten Bundesgebiet und auf allen Ebenen
anzugleichen – etwa im
Verhältnis von ländlichen Gegenden zu Städten, vom Norden zum Süden, von Ost
nach West, von
schrumpfenden zu wachsenden Regionen.
(165) Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist als normative Aufgabe
wichtig, aber
immer schwieriger zu definieren. Während in strukturschwachen Regionen oftmals
staatliche
Institutionen fehlen, sind dort auf der anderen Seite Mieten günstiger. Die
Sicherung von
gleichwertigen Lebensverhältnissen wird nicht durch das gleiche Angebot wie in
den
Metropolen zu erreichen sein, wohl aber durch die Schaffung von Voraussetzungen
für
kreative, flexible und digitale Lösungen. Wir streben nach einer neuen Politik
des
Ausgleichs zwischen ländlichen Räumen und Städten. Dazu wollen wir eine neue
Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Daseinsvorsorge“.
(166) Gute und sichere öffentliche Räume und Institutionen sind Voraussetzungen
dafür, dass
die Gesellschaft zusammenhält. Damit Sicherheit und Gemeinsamkeit möglich
werden, garantiert
der Staat gute Versorgung, Anbindung von ländlichen Regionen und Orte der
Begegnung. Zur
Daseinsvorsorge gehören Breitbandversorgung, Ärzt*innen sowie Krankenhäuser, die
auch für
die Dorfbewohner*innen erreichbar sind, Jugendhäuser, Theater und Orchester in
den
ländlichen Regionen, Sportplätze und Schwimmbäder in Stadt und Land. So helfen
öffentliche
Räume und Institutionen, Freiheit und Selbstbestimmung zu ermöglichen,
Chancengleichheit
herzustellen und Aufstiegschancen zu schaffen. Sie sind mehr als staatliche
Daseinsvorsorge,
sie sind ein Zusammenspiel von demokratischer Staatlichkeit und
bürgerschaftlichem
Zusammenleben.
(167) Wir wollen bessere regionale Wirtschaftskreisläufe. Sie sind nicht nur
ökologischer,
sondern können auch Regionen mit Strukturproblemen helfen. Die regionale
Wirtschaftsförderung ist so auszurichten, dass regionale Kreisläufe unterstützt
werden, vor
Ort eine gute Infrastruktur vorhanden ist und auch ländliche Regionen
verlässlich an die
Welt angebunden sind. Dafür braucht es starke regionale Zentren als Ankerpunkte
in den
Regionen, die ein breites Angebot an öffentlichen und kulturellen
Dienstleistungen
vorhalten. Ein Beispiel sind die europäischen Metropolregionen. Bei der
Ansiedelung von
Bildungsinstitutionen, Landes- und Bundesbehörden sollen strukturschwache
Gebiete besonders
berücksichtigt werden.
(168) Die europäischen Gesellschaften sind geprägt durch demographischen Wandel.
Bevölkerungsverluste und -zuwächse sind sehr ungleich verteilt, vor allem
zwischen Stadt und
Land, und prägen unterschiedliche Identitäten und kulturelle Erfahrungen.
Gleichwertige
Lebensverhältnisse herzustellen ist ein Verfassungsgrundsatz und Kernaufgabe
unserer
Politik.
(169) Das gute Zusammenleben aller Generationen und Gerechtigkeit zwischen ihnen
wird in
einer alternden Gesellschaft zentraler. In ihr braucht es neue Formen des
Zusammenlebens und
eine altersgerechte Infrastruktur. Das wirkt Einsamkeit entgegen und stärkt den
sozialen
Zusammenhalt.
(170) Für viele Menschen ist die Familie das Fundament ihres Zusammenlebens und
Glücks.
Deswegen stehen Familien zu Recht unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes.
Familie ist
da, wo Menschen mit dem Ziel der Dauerhaftigkeit Verantwortung füreinander
übernehmen, sich
umeinander kümmern und füreinander da sind. Das unterstützen wir, egal ob mit
oder ohne
Trauschein, ob alleinerziehend oder mit Partner*in, ob gleich- oder
mehrgeschlechtlich, ob
Patchwork oder in Mehr-Eltern-Konstellationen. Alle Formen sollen rechtlich und
sozial
abgesichert sein.
(171) Viele Eltern wollen sich Sorge- und Erwerbsarbeit gleichberechtigt
aufteilen. Das wird
möglich durch ein flächendeckendes Betreuungsangebot, einen Wandel der
Arbeitswelt sowie
eine Reduzierung der Arbeitszeit.
(172) Kinder brauchen die Freiheit zu spielen und zu lernen, zu lachen und zu
weinen, zur
Freude und zur Wut. Sie haben eigene Rechte. Diese gehören in den Mittelpunkt
von Politik
und Gesellschaft und sind im Grundgesetz eigenständig zu garantieren. Das muss
sich auch in
der Ausstattung von öffentlichen Räumen und Institutionen sowie der
Verwirklichung von
Teilhabe und eigenen Entscheidungen widerspiegeln.
(173) Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf besonderen Schutz und eine
starke
öffentliche Fürsorge, die über gemeinsame bundesweite Standards für Kitas,
Schulen,
Jugendämter und föderale Träger zu garantieren sind. Kinderschutz gehört in alle
Curricula
für Jura, Medizin, Erziehungswissenschaften und Polizei. Kinder müssen bei
Entscheidungen
gehört, ihre Rechte und ihr Wille im Mittelpunkt stehen. Überall, wo mit Kindern
umgegangen
wird, muss Basiswissen über Kindeswohlgefährdung und Missbrauch zur
Voraussetzung werden.
Die Fortbildungspflicht für Familienrichter*innen und die Anforderungen an die
Qualifikation
von Verfahrensbeiständen sind klar gesetzlich zu regeln.
(174) Guter, bezahlbarer Wohnraum für alle ist eine öffentliche Aufgabe.
Wohnraum, Grund und
Boden dürfen keine Spekulationsobjekte sein. Das Recht auf Wohnen soll im
Grundgesetz
verankert werden. Kein Mensch soll ohne Obdach sein. Auch kleine
Gewerbetreibende dürfen
nicht durch steigende Mieten aus ihren Vierteln vertrieben werden. Es braucht
ein starkes
Mietrecht, eine gesetzliche Begrenzung der Miethöhe und zum Beispiel eine
Mietermitbestimmung.
(175) Um das Recht auf Wohnen zu verwirklichen, ist ein hoher Bestand an
öffentlichem und
sozial gebundenem Wohnraum nötig. Dort, wo viele Menschen zuziehen, muss in
großem Umfang
gebaut werden. Wir verpflichten uns zu nachhaltigem Bauen und einer behutsamen
Nachverdichtung.
(176) Unser Leitbild ist das einer lebendigen, durchmischten und offenen Stadt
der kurzen
Wege: Dort leben Junge und Alte sowie Menschen verschiedener Herkunft gern in
ihren
Wohnvierteln, haben es nicht weit zur Arbeit und zum nächsten Sportplatz. Der
demographische
Wandel bringt neue Formen des Zusammenlebens. Ein ausreichender Bestand an
barrierefreien
Wohnungen und Möglichkeiten für ältere Menschen, ein aktives Leben zu führen,
werden immer
wichtiger.
(177) Sport verbindet. Alte und Junge, Menschen verschiedener Herkunft, mit
verschiedenen
Erfahrungen – auf dem Fußballplatz sind alle gleich. In Deutschland engagieren
sich viele
Millionen Menschen im Sport – in Vereinen und Organisationen – für Fairness,
Teamgeist und
Verantwortung. Im Sport können die Werte einer offenen und solidarischen
Gesellschaft
vermittelt werden. Der organisierte Sport ist einer der wichtigsten Träger der
außerschulischen Jugendarbeit und vermittelt Bildung. Diese Strukturen zu
erhalten und zu
stärken bedeutet, das friedliche Zusammenleben zu stärken. Auf internationaler
Ebene leistet
der Sport einen wichtigen Beitrag zum Kulturaustausch und zu gegenseitiger
Begegnung. Sport
findet nicht im politischen Vakuum statt. Das bedeutet Verantwortung für den
Zusammenhalt in
unserer Gesellschaft, für den Schutz von Menschenrechten, aber genauso als
wirtschaftlicher
Akteur und im Kampf gegen Doping.
(178) Privat übernehmen viele Menschen ehrenamtlich Verantwortung für andere,
sei es in
Familie und Nachbarschaft oder in Vereinen, Kirchen und Initiativen. Das
Ehrenamt hat eine
konstitutive Rolle in unserer Demokratie und für unser Zusammenleben. Dafür
braucht es Zeit,
Anerkennung und Förderung, die wir als Gesellschaft bereitstellen müssen.
(179) Viele Menschen sind motiviert, freiwilligen Einsatz für die Gesellschaft
zu bringen.
Die bestehenden Freiwilligendienste können zu einem neuen gesellschaftlichen
Generationenprojekt werden, wenn sie ausgebaut und auch für die Menschen im
Ruhestand
geöffnet werden, die ihre Erfahrung und ihr Können weiter einbringen wollen. Ein
solcher
„Zivilgesellschaftsdienst“ soll Rentner*innen wie allen jungen Menschen, die ihn
ausüben
wollen, unabhängig vom eigenen Geldbeutel offenstehen.
(180) In der vielfältigen Gesellschaft sind alle Staatsbürger*innen
gleichberechtigt – mit
gleichen Rechten, Zugängen und gleicher Teilhabe. In einer vielfältigen
Gesellschaft richtet
sich Zugehörigkeit nicht danach, wo jemand geboren ist, in welchem Stadtteil
jemand wohnt,
woher die Eltern kommen oder wie viel sie verdienen, wie jemand aussieht, was
jemand glaubt
oder wie der Namen klingt.
(181) Diskriminierung trifft nicht alle gleichermaßen, aber sie geht alle
gleichermaßen an.
Eine vielfältige Gesellschaft schützt alle Menschen vor Diskriminierung,
Rassismus,
Antisemitismus und Gewalt – im Alltag, ob subtil oder durch gesellschaftliche
Strukturen und
öffentliche Institutionen.
(182) Eine vielfältige Einwanderungsgesellschaft bietet Unterstützung und
ermöglicht durch
Zugänge und Teilhabe die Integration von Menschen, die neu zu uns kommen. Das
ist ein
wechselseitiger Prozess, der von allen Beteiligten die Bereitschaft verlangt,
friedlich und
in gegenseitigem Respekt zusammenzuleben und die Werte des Grundgesetzes zu
achten.
(183) Das Staatsbürgerschaftsrecht soll allen Menschen, die hier leben, arbeiten
oder zur
Schule gehen, wirkliche Teilhabe ermöglichen. Dazu gehören die erleichterte und
beschleunigte Einbürgerung, die Ermöglichung von doppelter Staatsangehörigkeit
und die
Ausweitung des Geburtsrechts. Ausländer*innen, die die Voraussetzungen erfüllen,
sollen
möglichst bald Inländer*innen mit gleichen Rechten und Pflichten werden können.
Mehrstaatigkeit bildet die Lebensrealität vieler Menschen ab.
(184) Die deutsche Gesellschaft ist religiös und weltanschaulich plural. Wir
setzen uns für
die Bewahrung und Durchsetzung der Religionsfreiheit in all ihren Dimensionen
ein. Zu einer
pluralistischen Gesellschaft gehört auch Religionskritik, und zwar inner- wie
außerhalb der
Religionsgemeinschaften. Die Wahrung der grundrechtlichen Normen und Werte kann
durch keine
Religion relativiert werden.
(185) Die christlichen Kirchen sind Teil und Stütze unserer Gesellschaft. Der
säkulare Staat
muss sich am Neutralitätsprinzip ausrichten. Das bedeutet aber nicht ein
Kooperationsverbot
zwischen Staat und Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften. Das
kooperative Modell des
Staatskirchenrechtes soll zu einem pluralen Religionsverfassungsrecht
weiterentwickelt
werden.
(186) Ein aktives jüdisches Leben in Deutschland und Europa nach der Shoa ist
eine große
Verantwortung für den deutschen Staat. Jüdinnen und Juden in ihrer
Selbstentfaltung zu
unterstützen sowie ihre Sicherheit und die der jüdischen Einrichtungen zu
gewährleisten ist
eine wichtige Aufgabe für unsere Gesellschaft. Sich Antisemitismus in jeder Form
entgegenzustellen ist die Verpflichtung unseres Rechtsstaates und die immer
währende Aufgabe
aller Menschen in Deutschland und in Europa. Das Existenzrecht und die
Sicherheit Israels
mit gleichen Rechten für all seine Bürger*innen sind unverhandelbar.
(187) Muslimas und Muslime sind nach den Angehörigen der großen christlichen
Konfessionen
die größte religiöse Gruppe in diesem Land. Der Islam gehört damit
selbstverständlich zu
Deutschland. Moscheen und muslimische Gemeinden müssen vor Bedrohungen und
Angriffen
geschützt, die Sicherheit von Muslimas und Muslimen muss gewährleistet werden.
Antimuslimischen Rassismus zu bekämpfen ist Aufgabe der gesamten Gesellschaft.
Wir
unterstützen das Anliegen vieler Muslimas und Muslime, mittelfristig anerkannte
und
gleichberechtigte Religionsgemeinschaft(en) im Sinne und nach den Regeln des
Grundgesetzes
bilden zu können, und befürworten Staatsverträge mit islamischen
Religionsgemeinschaften.
(188) Menschen mit Romno-Hintergrund sind die größte Minderheit in Europa. Sie
sind Teil der
europäischen Geschichte und Gegenwart seit mehr als 600 Jahren, auch in
Deutschland.
Menschen mit Romno-Hintergrund werden oft als homogene Gruppe wahrgenommen. Sie
werden mit
stereotypen, stigmatisierenden Eigenschaften beschrieben, die zu massiver
Diskriminierung in
Bereichen wie Bildung, Arbeitsmarkt, Wohnen und Gesundheit führen. Kultur und
Sprache der
nationalen Minderheit der Sinti und Roma sind vom Staat zu schützen und zu
fördern.
(189) Das Bewusstsein für die Singularität der Verbrechen des
Nationalsozialismus als
universelle Mahnung an die gesamte Menschheit und die daraus folgende
historische
Verantwortung wachzuhalten ist vordringliche Aufgabe deutscher
Erinnerungskultur. Es kann
keinen Schlussstrich geben.
(190) In einer erweiterten Erinnerungskultur mit globaler Perspektive sollten
sich die
unterschiedlichen historischen Erfahrungen der Menschen widerspiegeln, die nach
Deutschland
eingewandert sind und hier leben. Die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit
ist
Voraussetzung für eine Gesellschaft, in der Schwarze Menschen frei von Rassismus
leben
können, und sollte selbstverständlicher Teil der Erinnerungskultur sein.
(191) Inklusion ist ein Menschenrecht. In einer inklusiven Gesellschaft können
alle Menschen
ohne Angst in ihren Eigenschaften und Lebensformen verschieden sein. Die Rechte
von Menschen
mit Behinderung müssen umfassend gewahrt, geschützt und realisiert werden. Wir
streben
Inklusion und Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen an. Sicherung der
Selbstbestimmung
und eine umfassende gesellschaftliche Teilhabe genießen dabei Priorität.
(192) Feminismus ist sowohl die Vision einer gleichberechtigten Gesellschaft als
auch der
Weg dorthin. Er verspricht, echte Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen
einzulösen –
rechtlich, kulturell und ökonomisch.
(193) Eine Gesellschaft, in der gleiche Teilhabe für alle Geschlechter
Wirklichkeit ist,
schützt und stärkt die Rechte aller Frauen in ihrer Unterschiedlichkeit und
unabhängig von
Herkunft, Alter, Religion, Behinderung, Sexualität oder Klasse. Deshalb
verfolgen wir einen
Feminismus, der verschiedene Diskriminierungsformen auch in ihrer Verschränkung
erkennt und
an ihrer Beseitigung arbeitet.
(194) Gesellschaftlich vorgegebene Rollenzwänge führen zu ungleichen Chancen und
häufig zu
individuellem Leid. Sexismus behindert Frauen im Job, in der Schule, in der Uni,
vor
Gericht, im Privatleben, in den Medien, im Internet. Auch Männer profitieren von
der
Überwindung feststehender Geschlechterrollen. Gemeinsam schaffen wir eine
Gesellschaft, in
der alle Menschen frei von einschränkenden Rollenbildern leben können.
(195) Das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper und das eigene
Leben muss für
Frauen und Mädchen uneingeschränkt gelten. Dieses Recht zu realisieren ist Teil
einer guten
Gesundheitsversorgung. Schwangerschaftsabbrüche haben nichts im Strafgesetzbuch
verloren.
Intergeschlechtliche- und transsexuelle Menschen haben ausschließlich selbst das
Recht, ihr
Geschlecht zu definieren.
(196) Frauen sollen in allen Bereichen der Gesellschaft mitbestimmen und
Verantwortung
übernehmen können. Gleichberechtigung bedeutet nicht nur, aber auch mehr Frauen
in
Führungspositionen – in der Politik, in der Zivilgesellschaft und in der
Wirtschaft. Wo
freiwillige Selbstverpflichtung nicht hilft, sind Quoten ein wichtiges
Instrument für mehr
Parität. Sie zielen dabei immer auf eine Welt, in der sie sich selbst
überflüssig machen.
(197) Eine offene Gesellschaft ist eine der Geschlechtervielfalt, in der alle
Menschen ohne
Angst verschieden sein können. Freiheit und Würde bedeuten, sich einem
Geschlecht zuordnen
zu können oder auch nicht. Und es bedeutet, die eigene sexuelle Identität
selbstbestimmt zu
finden. Freiheit und Würde bedeuten auch, gemäß der eigenen sexuellen
Orientierung die
Lebensform, die Partnerschaft und das Familienmodell selbst zu wählen und dafür
jeweils die
gleichen Rechte und den gleichen Schutz vom Staat zu erhalten. Antiqueere, homo-
und
transphobe Ressentiments und Diskriminierung sowie Angriffe auf Lesben, Schwule,
Bi-, Trans-
und Intersexuelle, Transgender oder Queers sind menschenrechtliche Verstöße und
müssen von
der gesamten Gesellschaft klar zurückgewiesen werden.
(198) Kunst ist frei. Kunst dient niemandem. Kunst gehört niemandem exklusiv.
Sie ist
vielfältig und deutungsoffen und nie homogen. Kunst und Kultur lassen aus dem
Zusammenspiel
unterschiedlichster Einflüsse und Zusammenhänge Neues entstehen und sind so
Motor
gesellschaftlicher Entwicklung. Wir schützen die Freiheit der Kunst und wenden
uns dagegen,
Kunst und Kultur vereinheitlichen, ethnisch oder sozial abgrenzen zu wollen oder
alleinige
Deutungshoheit über sie zu beanspruchen.
(199) Freie Kunst und Kultur sind eine Grundlage für Demokratie und friedliches
Zusammenleben. Sie sind Ausdruck und Anlass individueller und gesellschaftlicher
Reflexion,
persönlichen und kollektiven Erkenntnisgewinns sowie persönlicher und
kollektiver
Entwicklung. Kulturelle Vielfalt zu fördern und zu schützen ist wichtige Aufgabe
in der
offenen Gesellschaft. Der Zugang zu und Teilhabe an Kunst und Kultur muss für
alle gleich
gewährleistet sein. Das gilt für kulturelle Bildung genauso wie für
Kulturinstitutionen,
Kulturvereine und Kulturgüter. Deshalb brauchen Kunst und Kultur öffentliche
Förderung.
(200) Deutschlands Kolonialvergangenheit ist auch im Kulturbereich wenig
aufgearbeitet. Der
Schlüssel dafür sind eine umfängliche Forschung über die Herkunft von
Kunstobjekten und der
transparente Umgang mit den Sammlungen deutscher Museen, der in einem aktiven
Austausch mit
den betroffenen Gesellschaften mündet. Dazu gehört auch die Rückgabe von
entwendeten
Kulturgütern aus kolonialen Kontexten. Der auswärtigen Kultur- und
Bildungspolitik kommt in
diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle als Brücke in die Zivilgesellschaften
der Welt zu.
(201) Oberste Aufgabe jeder Gesundheitspolitik ist es, die Würde der und des
Einzelnen auch
in Krankheitsfällen, Notfällen und Ausnahmesituationen zu wahren und
gleichzeitig
Krankheiten und Gesundheitsrisiken vorzubeugen. Gesundheit und Pflege sind
zentrale Pfeiler
der Daseinsvorsorge. Es ist öffentliche Aufgabe, jedem Menschen, unabhängig von
Alter,
Einkommen, Geschlecht, Herkunft, sozialer Lage oder etwaiger Behinderung sowie
vom Wohnort,
Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Versorgung zu garantieren. Die
Versorgung muss dem
Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen, den medizinischen
Fortschritt
berücksichtigen und auch den Bedarfen von besonders verletzlichen
Personengruppen gerecht
werden.
(202) In der global vernetzten Welt des 21. Jahrhunderts ist spätestens seit der
Corona-
Krise klar, dass moderne Gesundheitssysteme für alle unverzichtbar sind.
Gesundheit ist ein
globales Gemeingut. Internationale und solidarische Kooperation bei
Gesundheitsforschung und
dem Aufbau guter Gesundheitssysteme ist eine gemeinsame Aufgabe der
Weltgemeinschaft. Es
braucht weltweit eine Versorgungsicherheit mit zentralen Arzneimitteln und
Materialien. Sie
müssen auch in Europa produziert werden.
(203) Gesundheitsversorgung ist öffentliche Aufgabe. Sie muss dem Menschen und
der
Allgemeinheit zugutekommen und dient nicht dem Zweck, hohe Renditen zu erzielen.
Öffentliches und beitragsfinanziertes Geld muss im System bleiben. Der Trend zur
Privatisierung im Krankenhausbereich muss gestoppt werden. Bei privaten Kliniken
und
Pflegeheimen sollen Gewinnausschüttungen gesetzlich beschränkt werden.
Gesundheitssysteme,
die sich auf den Markt verlassen, sind teuer und ineffizient.
(204) Gleichwertige Lebensverhältnisse bedeuten eine gute Gesundheitsversorgung
in der Stadt
und auf dem Land. Jeder Mensch muss Zugang zu medizinischer Hilfe haben, egal wo
er lebt.
Dafür müssen aber nicht alle Kliniken dieselbe Leistung anbieten. Durch ein
Stufenmodell von
der Basisversorgung bis hin zu Spezialkliniken kann die Versorgung im ländlichen
Raum
gestärkt und zeitgleich eine gute Qualität bei allen Behandlungen sichergestellt
werden.
(205) Nur ein gut finanziertes Gesundheitssystem kann die Würde der
Patient*innen und die
Rechte der Beschäftigten gleichermaßen schützen. Die Kommerzialisierung des
Gesundheitswesens hat zu Fehlanreizen, erzwungener Kostenersparnis zulasten der
Versorgungssicherheit und zu einer falschen Verteilung von Geldern geführt. Die
Krankenhausfinanzierung muss neu gedacht und im Sinne der Versorgungssicherheit
und -
qualität auf die Fläche, auf eine gute Bezahlung für Beschäftigte, auf Vorsorge
und auf
Krisenresilienz ausgerichtet werden. Kliniken sollen nicht nur nach erbrachter
Leistung,
sondern nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden. Dafür müssen
die
Fallpauschalen reformiert und um eine strukturelle Finanzierung ergänzt werden.
Die Planung
im Gesundheitssystem soll gestärkt werden und sektorenübergreifend erfolgen. Das
bedeutet,
dass stationäre und ambulante Versorgung zusammen gedacht und finanziert werden.
(206) Eine bessere Vernetzung, Koordination und Zusammenarbeit über alle
Berufsgruppen
hinweg, wie sie zum Beispiel in Gesundheitszentren stattfindet, ist notwendig,
um den
Bedarfen der Patient*innen in einer älter werdenden Gesellschaft besser gerecht
zu werden.
Eine gut abgestimmte integrierte Versorgung, in der Ärzt*innen, Pflegekräfte und
andere
Heilberufe sowie ein gut ausgestatteter öffentlicher Gesundheitsdienst Hand in
Hand
zusammenarbeiten, muss darum zur Regel werden. Dabei helfen eine umfassende
Versorgungsplanung, Gesundheitsberichterstattung und eine Stärkung der
Gesundheits- und
Versorgungsforschung. Heilmittelerbringer*innen und gesundheitsnahe Berufe sind
ein
essenzieller Teil unseres Gesundheitssystems und müssen finanziell besser
abgesichert
werden. Eine Stärkung der professionellen Pflege ist Voraussetzung für ein gutes
Versorgungsnetz in der Fläche. Dafür braucht es eine Aufwertung und Ausweitung
der
Kompetenzen in Gesundheits- und Pflegefachberufen.
(207) Gute Gesundheit und Pflege gibt es nur mit guten Arbeitsbedingungen.
Altenpfleger*innen, Krankenpfleger*innen oder Hebammen und Geburtshelfer sind
das Rückgrat
unserer Gesellschaft. In diesem Arbeitsbereich droht permanent die Gefahr von
Überlastung
und Überarbeitung. Sich um andere zu kümmern darf nicht krank machen. Es braucht
mehr
Personal, mehr Lohn und mehr Zeit. Der Staat trägt hier auch aufgrund des im
Grundgesetz
festgeschriebenen Sozialstaatsgebots eine besondere Verantwortung.
(208) Die Digitalisierung und Automatisierung kann helfen, den Fachkräftemangel
im
Gesundheitswesen zu bekämpfen und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Mithilfe der
Koordinierung und des Abgleichs von Kapazitäten und der Übernahme von
unterstützenden
Tätigkeiten durch Robotik und digitale Hilfsmittel kann mehr Zeit für die
persönliche Arbeit
mit Patient*innen gewonnen werden.
(209) Solidarisch finanziert können die Herausforderungen der älter werdenden
Gesellschaft
und die Kosten des medizinischen Fortschritts am besten bewältigt werden. Indem
alle
Bevölkerungsgruppen in die Finanzierung über eine Bürgerversicherung einbezogen
werden,
können wir die Belastungen fair und für alle tragfähig ausgestalten. Gesundheit
und Pflege
muss allen Menschen gleich zur Verfügung stehen. Es darf keinen Unterschied beim
Zugang nach
Einkommen oder Versicherungsstatus geben.
(210) Gute Gesundheitspolitik bedeutet die Vermeidung von Erkrankungen und von
Pflegebedürftigkeit. Prävention und Gesundheitsförderung sind deshalb
Querschnittsaufgaben,
die in allen Politikbereichen verfolgt werden müssen. Prekäre Lebensverhältnisse
machen in
vielen Fällen krank. Menschen, die in Armut leben, haben eine höhere
Wahrscheinlichkeit zu
erkranken und oft einen schlechteren Zugang zum Gesundheitssystem. Eine gute
Sozialpolitik
ist Teil einer umfassenden Gesundheitsvorsorge.
(211) Menschen sind immer Menschen, niemals „Fälle“, egal ob gesund, krank,
pflegebedürftig
oder eingeschränkt. Patient*innen sind Akteur*innen mit starken Rechten. Für
Patient*innen
müssen ihre eigenen Gesundheitsdaten jederzeit zugänglich sein und durch strenge
Datenschutzstandards gesichert werden. Gesundheitsbildung und unabhängige
Gesundheitsberatung sollen zu einem festen Bestandteil unseres
Gesundheitssystems werden.
(212) Die digitale Verfügbarkeit von Patienti*innen-Daten und Infektionswegen
kann
Bürger*innen-Rechte nicht nur schützen, sondern auch sichern. Die Chancen der
Digitalisierung gilt es sowohl bei der Organisierung der Gesundheitsversorgung,
im
Pflegebereich als auch bei der Verwaltung von Gesundheitsdaten und bei der
individuellen
Prävention zu nutzen. So wird auch in Zeiten des demographischen Wandels ein
zukunftsfähiges
Gesundheitssystem erhalten. Aufgrund der Sensibilität von Gesundheitsdaten kommt
dem
Datenschutz dabei eine herausragende Rolle zu. Gerade deshalb sollte die
Infrastruktur von
staatlicher Seite und nicht von privaten Drittanbietern zur Verfügung gestellt
werden.
Deshalb sollen die Gesundheitsdaten inklusive der Patient*innen-Daten unter
Wahrung höchster
Datenschutzstandards digital erfasst werden.
(213) Menschen, die pflegebedürftig werden, wollen zumeist in ihrem gewohnten
Umfeld
bleiben. Eine dezentrale Pflegestruktur, bei der die Wünsche, die
Selbstbestimmung und
Selbstständigkeit der Betroffenen im Mittelpunkt stehen, ist dafür der beste
Weg. Wir
streben einen Sozialstaat an, der gute und inklusive Institutionen der Pflege
und Betreuung
für alle zur Verfügung stellt.
(214) Leistungen, die medizinisch notwendig sind und deren Wirksamkeit
wissenschaftlich
erwiesen ist, müssen von der Solidargemeinschaft übernommen werden. Medikamente,
die der
Gesellschaft insgesamt dienen, dürfen nicht patentiert sein.
(215) Die Versorgung mit Hebammen und Geburtshelfern, Geburtshäusern und
Kreißsälen muss in
ländlichen Regionen genauso gesichert sein wie in Städten. Die reproduktive
Selbstbestimmung
muss gewährleistet sein, das bedeutet den kostenfreien Zugang zu
Verhütungsmitteln und die
Sicherstellung von ärztlich vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüchen. Das ist ein
wichtiger
Teil der Gesundheitsversorgung und Selbstbestimmung von Frauen.
(216) Statt einer Kriminalisierung von Süchtigen setzen wir auf Prävention,
Entkriminalisierung und passgenaue Hilfsangebote. Cannabis sollte legalisiert
werden. Eine
kontrollierte Abgabe von Suchtmitteln und eine an den gesundheitlichen Risiken
orientierte
Regulierung sind der richtige Weg für wirksamen Jugendschutz, zur Verhinderung
von
Drogentoten und um kriminelle Strukturen und Ursachen für Drogenkriege
trockenzulegen.
Kommentare
Ulf Berner:
[1413] ... Gesellschaft, in der alle Menschen die gleichen Rechte
Begründung: Gesellschaft <=> Menschen / Staat <=> Bürger*innen
[1422] Mitmenschen, sowie den gemeinsam vereinbarten Grundsätzen
[1455] auszugleichen
[1469] kreative und flexible Lösungen einerseits, aber auch infrastrukturelle und digitale Lösungen andererseits.
[1483] ...Schwimmbäder und soziokulturelle Angebote in Stadt und Land
[1580] Die sozial- und bürgergenossenschaftliche Wohnraumschaffung und -bewirtschaftung muss besonders gefürdert und unterstützt werden
[1591] In den Städten kommt dem Quartiersmanagement eine besondere Bedeutung bei der Stadtteilentwicklung zu.
[1630] ... sind alle Menschen (-> siehe 1413) | Alternativ: "In einem nach Vielfältigkeit strebenden Staat...."
[1643] ...im Alltag, ob offen, subtil....
[1680] Eine strikte, auch strukturelle Trennung von Kirche und Staat ist notwendig, um alle Religionen und Weltanschauubgsgemeinschaften, aber auch glaubensfreien Menschen gleichermassen zu berücksichtigen.
[1806-1816] Unterstützung des ÄA von Sigrid Busch -> https://beteiligung.gruene.de/3gsp/Kapitel_4_Zusammen_leben-8782/767
[1817-1829] Unterstützung des ÄA von Sigrid Busch -> https://beteiligung.gruene.de/3gsp/Kapitel_4_Zusammen_leben-8782/768
[1890] Nur ein gut und solidarisch von der ganzen Gesellschaft finanziertes Gesundheitssystem
Sina Beckmann:
(175) 1580 Eine zusätzliche Flächenversiegelung ist dabei stets zu vermeiden, das Immobilien-Repowering ist immer vorzuziehen.
(177) Sind nur auf dem Fußballplatz alle gleich? Was ist mit dem Tanzstudio oder dem Schwimmbad?
(178) nach Kirchen „politischen Parlamenten/ Räten“
(189) Wie ist das mit der Erinnerungskultur bezüglich des SED-Regimes?
(193) Wie ist hier „Klasse“ zu verstehen?
Ulf Berner:
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(161) Offen ist eine Gesellschaft, in der alle Menschen die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben, die die Unterschiedlichkeit von Menschen und Regionen als Stärke begreift, als Wert verteidigt und den Schutz von Minderheiten gewährt. Die offene Gesellschaft ist eine gewaltfreie. Ihre Grenzen findet sie in den Rechten und Freiheiten der Mitmenschen, , sowie den gemeinsam vereinbarten Grundsätzen. Die offene Gesellschaft hinterfragt sich, lernt und ist selbstkritisch. Sie beruht auf Bedingungen, die sie selbst nicht schützen kann. Deshalb sind der Schutz und die Arbeit für sie eine dauernde politische Aufgabe.
(165) Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist als normative Aufgabe wichtig, aber immer schwieriger zu definieren. Während in strukturschwachen Regionen oftmals staatliche Institutionen fehlen, sind dort auf der anderen Seite Mieten günstiger. Die Sicherung von gleichwertigen Lebensverhältnissen wird nicht durch das gleiche Angebot wie in den Metropolen zu erreichen sein, wohl aber durch die Schaffung von Voraussetzungen für kreative und flexible Lösungen einerseits, aber auch infrastrukturelle und digitale Lösungen andererseits. Wir stehen für eine neue Politik des Ausgleichs zwischen ländlichen Räumen und Städten. Dazu wird eine neue Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Daseinsvorsorge“ installiert.
(166) Gute und sichere öffentliche Räume und Institutionen sind Voraussetzungen dafür, dass die Gesellschaft zusammenhält. Damit Sicherheit und Gemeinsamkeit möglich werden, garantiert der Staat gute Versorgung, Anbindung von ländlichen Regionen und Orte der Begegnung. Zur Daseinsvorsorge gehören Breitband- und Mobilfunkversorgung, Ärzt*innen sowie Krankenhäuser, die auch für die Dorfbewohner*innen erreichbar sind, Jugendhäuser, Theater und Orchester in den ländlichen Regionen, Einrichtungen der freiwilligen Leistungen in Stadt und Land. So helfen öffentliche Räume und Institutionen, Freiheit und Selbstbestimmung zu ermöglichen, Chancengleichheit herzustellen und Bildungs- Aufstiegschancen zu schaffen. Sie sind mehr als staatliche Daseinsvorsorge, sie sind ein Zusammenspiel von demokratischer Staatlichkeit und bürgerschaftlichem Zusammenleben.
(166a) Eine flächendeckende Versorgung mit Hebammen ist sicher zu stellen und eine bundesweit einheitliche Ausbildung ist zu gewährleisten.
(174) Guter, bezahlbarer Wohnraum für alle ist eine öffentliche Aufgabe. Wohnraum, Grund und Boden dürfen keine Spekulationsobjekte sein. Das Recht auf Wohnen muß im Grundgesetz verankert werden. Kein Mensch darf ohne Obdach sein. Auch kleine Gewerbetreibende dürfen nicht durch steigende Mieten und Pachten aus ihren Vierteln vertrieben werden. Es braucht ein starkes Miet- und Pachtrecht, eine gesetzliche Begrenzung der Miet- und Pachthöhe und zum Beispiel eine Mieter- und Pächtermitbestimmung.
(175) Um das Recht auf Wohnen zu verwirklichen, ist ein hoher Bestand an öffentlichem und sozial gebundenem Wohnraum nötig. Dies ist unter anderem auch durch Landeswohnungsbaugesellschaften zu ermöglichen. Dort, wo viele Menschen zuziehen, muss in großem Umfang gebaut werden. Wir verpflichten uns zu nachhaltigem Bauen und einer behutsamen Nachverdichtung.Das Immobilienrepowering ist immer vorzuziehen, um eine weitere Flächenversiegelung zu vermeiden. Die genossenschaftliche Wohnraumschaffung und -bewirtschaftung muss besonders gefördert und unterstützt werden.
(176) Unser Leitbild ist das einer lebendigen, durchmischten und offenen Stadt der kurzen Wege: Dort leben Junge und Alte sowie Menschen verschiedener Herkunft gern in ihren Wohnvierteln, haben es nicht weit zur Arbeit und zu Freizeitangeboten. Der demographische Wandel bringt neue Formen des Zusammenlebens. Ein ausreichender Bestand an barrierefreien Wohnungen und Möglichkeiten für ältere Menschen, ein aktives Leben zu führen, werden immer wichtiger. In den Städten kommt dem Quartiersmanagement eine besondere Bedeutung bei der Stadtteilentwicklung zu.
(177) Sport verbindet. In Deutschland engagieren sich viele Millionen Menschen im Sport – in Vereinen und Organisationen – für Fairness, Teamgeist und Verantwortung. Im Sport können die Werte einer offenen und solidarischen Gesellschaft vermittelt werden. Der organisierte Sport ist einer der wichtigsten Träger der außerschulischen Jugendarbeit und vermittelt Bildung. Diese Strukturen zu erhalten und zu stärken bedeutet, das friedliche Zusammenleben zu stärken. Auf internationaler Ebene leistet der Sport einen wichtigen Beitrag zum Kulturaustausch und zu gegenseitiger Begegnung. Sport findet nicht im politischen Vakuum statt. Das bedeutet Verantwortung für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, für den Schutz von Menschenrechten, aber genauso als wirtschaftlicher Akteur und im Kampf gegen Doping.
(178) Privat übernehmen viele Menschen ehrenamtlich Verantwortung für andere, sei es in Familie und Nachbarschaft oder in Vereinen, Organisationen, religiösen Gemeinschaften,Initiativen sowie in der politischen Arbeit. Das Ehrenamt hat eine konstitutive Rolle in unserer Demokratie und für unser Zusammenleben. Dafür braucht es Zeit, Anerkennung, Förderung und Weiterbildung, die wir als Gesellschaft bereitstellen müssen.
(180) In der vielfältigen Gesellschaft sind alle Menschen gleichberechtigt – mit gleichen Rechten, Zugängen und gleicher Teilhabe. In einer vielfältigen Gesellschaft richtet sich Zugehörigkeit nicht danach, wo jemand geboren ist, in welchem Stadtteil jemand wohnt, woher die Eltern kommen oder wie viel sie verdienen, wie jemand aussieht, was jemand glaubt oder wie der Namen klingt.
(181) Diskriminierung trifft nicht alle gleichermaßen, aber sie geht alle gleichermaßen an. Eine vielfältige Gesellschaft schützt alle Menschen vor Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus, Sexismus sowie psychischer und physischer Gewalt. Ob offen oder subtil, durch gesellschaftliche Strukturen oder öffentliche Institutionen, Diskriminierung in all ihren Facetten muss unterbunden und geahndet werden.
(185) Der säkulare Staat ist unser oberstes Prinzip muss sich am Neutralitätsprinzip ausrichten. Das bedeutet aber nicht ein Kooperationsverbot zwischen Staat und Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften. Das kooperative Modell des Staatskirchenrechtes soll zu einem pluralen Religionsverfassungsrecht weiterentwickelt werden. Eine strikte, auch strukturelle Trennung von Kirche und Staat muss vollzogen werden, um alle Religionen und Weltanschauungsgemeinschaften, aber auch Menschen ohne Religionsbindung gleichermassen zu berücksichtigen.
(186) "Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels mit gleichen Rechten für all seine Bürger*innen sind unverhandelbar." -> verschieben in Kapitel 8, da dies ein staatsrechtliches Thema ist
(190) In einer erweiterten Erinnerungskultur mit globaler Perspektive sollten sich die unterschiedlichen historischen Erfahrungen der Menschen widerspiegeln, die nach Deutschland eingewandert sind und hier leben. Die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit ist Voraussetzung für eine Gesellschaft, in der People of Color frei von Rassismus leben können, und sollte selbstverständlicher Teil der Erinnerungskultur sein.
(194) Gesellschaftlich vorgegebene Rollenzwänge führen zu ungleichen Chancen und häufig zu individuellem Leid. Sexismus behindert Frauen im Job, in der Schule, in der Uni, vor Gericht, im Privatleben, in den Medien, im Internet. Alle Menschen profitieren von der Überwindung feststehender Geschlechterrollen. Gemeinsam schaffen wir eine Gesellschaft, in der alle Menschen frei von einschränkenden Rollenbildern, leben und sich entwickeln können und dürfen.
(195) Das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper und das eigene Leben muss alle Menschen uneingeschränkt gelten. Dieses Recht zu realisieren ist Teil einer guten Gesundheitsversorgung. Schwangerschaftsabbrüche haben nichts im Strafgesetzbuch verloren. Intergeschlechtliche- und transsexuelle Menschen haben ausschließlich selbst das Recht, ihr Geschlecht und ihre Identität zu definieren.
(197) Eine offene Gesellschaft ist eine der Geschlechtervielfalt, in der alle Menschen ohne Angst verschieden sein können. Freiheit und Würde bedeuten, sich einem Geschlecht zuordnen zu können oder auch nicht. Und es bedeutet, die eigene sexuelle Identität selbstbestimmt zu finden. Freiheit und Würde bedeuten auch, gemäß der eigenen sexuellen Orientierung die Lebensform, die Partnerschaft und das Familienmodell selbst zu wählen und dafür jeweils die gleichen Rechte und den gleichen Schutz vom Staat zu erhalten. Antiqueere, homo- und transphobe Ressentiments und Diskriminierung sowie Angriffe auf Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle, Transgender oder Queers sind menschenrechtliche Verstöße und müssen von der gesamten Gesellschaft klar zurückgewiesen werden.
(198) Unterstützung des ÄA von Sigrid Busch -> https://beteiligung.gruene.de/3gsp/Kapitel_4_Zusammen_leben-8782/767
(199) Unterstützung des ÄA von Sigrid Busch -> https://beteiligung.gruene.de/3gsp/Kapitel_4_Zusammen_leben-8782/768
(200) Deutschlands Kolonial- und Kriegsvergangenheit ist auch im Kulturbereich wenig aufgearbeitet. Der Schlüssel dafür sind eine umfängliche Forschung über die Herkunft von Kunstobjekten und der transparente Umgang mit den Sammlungen deutscher Museen, der in einem aktiven Austausch mit den betroffenen Gesellschaften mündet. Dazu gehört auch die Rückgabe von entwendeten Kulturgütern aus kolonialen, kriegerischen und räuberischen Kontexten. Der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik kommt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle als Brücke in die Zivilgesellschaften der Welt zu.
(205) Nur ein gut und solidarisch von der ganzen Gesellschaft finanziertes Gesundheitssystem kann die Würde der Patient*innen und die Rechte der Beschäftigten gleichermaßen schützen. Die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens hat zu Fehlanreizen, erzwungener Kostenersparnis zulasten der Versorgungssicherheit und zu einer falschen Verteilung von Geldern geführt. Die Krankenhausfinanzierung muss neu gedacht und im Sinne der Versorgungssicherheit und - qualität auf die Fläche, auf eine gute Bezahlung für Beschäftigte, auf Vorsorge und auf Krisenresilienz ausgerichtet werden. Kliniken sollen nicht nur nach erbrachter Leistung, sondern nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden. Dafür müssen die Fallpauschalen reformiert und um eine strukturelle Finanzierung ergänzt werden. Die Planung im Gesundheitssystem soll gestärkt werden und sektorenübergreifend erfolgen. Das bedeutet, dass stationäre und ambulante Versorgung zusammen gedacht und finanziert werden.