Veranstaltung: | KüstenGrün Grundsatz |
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Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 28.08.2020, 17:10 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A10NEU: Kapitel 8: International zusammenarbeiten
Text
Frieden und internationale Ordnung
(313) Die großen politischen Herausforderungen unserer Zeit lassen sich nur
global lösen.
Nachhaltige Politik bedarf vorausschauenden Handelns in internationaler
Kooperation.
(314) Eine an Frieden, Solidarität und globaler Gerechtigkeit orientierte
Politik braucht
Bündnisse all derer, die an den Wert von Kooperation und die Stärke des Rechts
in den
internationalen Beziehungen glauben. Multilaterale Zusammenarbeit in den
internationalen
Organisationen bleibt die beste Form, globale Politik zu gestalten.
(315) Es braucht eine internationale Ordnung, die auf der gerechten Verteilung
globaler
Ressourcen und auf verbindlichen Regeln fußt, die die Rechte der oder des
Einzelnen schützt,
Konflikte verhindert oder gewaltfrei und zum Wohle der Allgemeinheit löst.
(316) Eine friedliche und gerechte Weltordnung erfordert starke Vereinte
Nationen mit dem
Ziel einer Weltinnenpolitik. Die Vereinten Nationen sind das legitime Forum, um
völkerrechtliche Normen zu entwickeln und sich auf weltgemeinschaftliche Ziele
zu
verständigen. Sie müssen gestärkt werden.
(317) Zur Bearbeitung globaler Herausforderungen braucht es die Europäische
Union als
Friedensmacht, die sich ihrer Verantwortung in der Welt im Rahmen der Vereinten
Nationen
bewusst ist und zum Prinzip der internationalen Kooperation steht. Dieser
Verantwortung kann
die EU nur gerecht werden, wenn sie nationale Spaltungen überwindet und
gemeinsam handelt.
Die Antwort auf die aktuellen globalen Herausforderungen ist eine stetige
Vertiefung und
Weiterentwicklung der EU, perspektivisch hin zu einer Föderalen Europäischen
Republik.
Europäische Union
(318) Die Europäische Union ist Anker für Multilateralismus und demokratische
Souveränität
in einer globalisierten Welt. Es gilt, das Versprechen der Europäischen Union
auf eine
wertebasierte Politik nach innen und außen einzulösen. Bei Krisen gerät das
Projekt EU immer
wieder unter Druck, die Nationalstaaten agieren unabgesprochen und oft auch
unsolidarisch.
Gerade in Krisen aber lernen wir, dass Europa als Gemeinschaft stärker ist.
Gerade in Krisen
wird klar, dass die Europäische Union mehr ist als ihr Binnenmarkt und dass sie
als
politisches Projekt weiterentwickelt werden muss.
(319) Es ist zentrale Verantwortung der EU-Mitgliedstaaten, die Gräben in der
Europäischen
Union nicht durch nationale Egoismen zu vergrößern. Es ist ihre Verantwortung,
die
Handlungsfähigkeit der EU nach innen und außen zu verbessern.
(320) Freie Binnengrenzen und europäische Freizügigkeit sind Meilensteine der
europäischen
Einigung, hinter die wir nicht zurückfallen dürfen.
(321) Auf Grundlage der gemeinsamen Werte braucht es ein gemeinsames
strategisches
Bewusstsein der EU, das sich durch die verschiedenen Politikbereiche zieht.
Indem die EU
mehr strategische Souveränität aufbaut, kann sie auch global Demokratie schützen
und den
Klimaschutz voranbringen sowie in der Wirtschafts- und Finanzpolitik an
Menschenrechten und
Gemeinwohl orientierte Standards setzen.
(322) Mit dem größten Binnenmarkt der Welt ist die EU wirtschaftlich gesehen ein
Riese. Es
ist unsere Verantwortung, diese Stärke für eine an Menschenrechten und
Gemeinwohl
orientierte und regulierte Globalisierung einzusetzen, die Krisen verhindert,
statt sie zu
verstärken. Wer ökologisch, sozial und menschenrechtskonform produziert, soll
davon einen
Vorteil haben. Wer das Gegenteil tut, soll negative Konsequenzen spüren.
(323) Damit Herausforderungen nicht nur durch die eigene nationalstaatliche
Brille
betrachtet werden und um gegenseitiges Verständnis zu stärken, braucht es einen
paneuropäischen Diskurs durch eine europäische Öffentlichkeit. Dafür sind
nichtkommerzielle
und europäisch geförderte Kommunikations- und Begegnungsräume für alle
Europäer*innen
notwendig – digital, über die klassischen Medien und im direkten Austausch
miteinander.
(324) Die Europäische Union wächst mit verstärkter Zusammenarbeit. Denn nicht
alle
europäischen Staaten wollen immer dasselbe zur selben Zeit. Doch die europäische
Einigung
und die Blockadehaltung einzelner Staaten dürfen nicht zur Ausrede für
kollektives
Nichthandeln werden. Deswegen müssen manche Mitgliedstaaten nächste Schritte
eher gehen als
andere und in manchen Dingen gemeinsam vorangehen. Dabei ist immer
sicherzustellen, dass das
europäische Projekt als Ganzes nicht gefährdet wird und alle Mitgliedstaaten
sich jederzeit
anschließen können. So kann es in einem Bündnis der europäischen Demokratien
auch gegen die
nationalistischen Kräfte und Regierungen in Europa gelingen, das europäische
Einigungswerk
fortzusetzen sowie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu stärken.
(325) Die EU muss weltpolitikfähig werden. Sie muss im Sinne universeller Werte
und daraus
abgeleiteter Interessen die Regeln des internationalen Umfelds mitgestalten.
Eine geeinte
Europäische Union kann sich in der globalisierten Welt behaupten und
demokratische
Gestaltungskraft entfalten. Die Grundlage dafür bilden die Menschenrechte und
die globalen
Nachhaltigkeitsziele.
(326) Die EU muss ihre Soft Power nutzen, um die internationale Politik
entscheidend
mitzugestalten. Dabei gilt es, eine gemeinsame außenpolitische Strategie
gegenüber
nationalen Einzelinteressen der Mitgliedstaaten zu fördern. Das Prinzip der
Einstimmigkeit
soll durch Mehrheitsentscheidungen in diesem Bereich ersetzt werden, um die
gemeinsame
Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP/GSVP) zu stärken und so
handlungsfähiger zu
werden.
(327) Das Friedensprojekt Europa ist mehr als die EU. Daraus erwachsen
Verpflichtungen im
Erweiterungsprozess und in der Nachbarschaftspolitik. Die EU steht in der
politischen
Verantwortung, das Vertrauen in das Beitrittsversprechen nicht zu enttäuschen
und
gleichzeitig den notwendigen Reformprozess in den Beitrittsländern
mitzugestalten.
Partnerschaften und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Regionen vor Europas
Haustür
tragen zu Stabilität und Sicherheit bei. Die Östliche Partnerschaft der EU wie
auch die
Kooperationen mit Staaten in Nordafrika und dem Nahen Osten stärken
Demokratisierung,
Durchsetzung von Menschenrechten und wirtschaftliche Entwicklung. Sie sollen
ausgebaut
werden. Die gemeinsamen europäischen Institutionen wie OSZE oder Europarat sind
im
Zusammenspiel mit einer starken Europäischen Union wichtige Säulen einer
multilateralen
Weltordnung.
Bündnispolitik
(328) Die Vereinten Nationen bilden den multilateralen Rahmen der
internationalen
Zusammenarbeit. Mehr Verantwortung in den Vereinten Nationen erfordert von
Deutschland und
der EU, ihr Engagement finanziell, personell und diplomatisch substanziell zu
verstärken und
die internationalen Vereinbarungen auch konsequent und kohärent in nationale und
europäische
Politik umzusetzen. Dabei geht es um das Prinzip der Reform durch Stärkung. Das
ist gerade
wichtig in Zeiten, in denen nationale Egoismen zunehmen und wichtige
Entscheidungen
blockiert werden.
(329) Der Sicherheitsrat und andere Organe der Vereinten Nationen müssen an die
Realitäten
des 21. Jahrhunderts angepasst werden. Das betrifft sowohl die strukturelle und
finanzielle
Ausstattung von VN-Organisationen als auch eine gerechtere Repräsentation der
Regionen und
Beitragsleister im Sicherheitsrat.
(330) Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) soll als Sonderorganisation der VN
und als
wichtigste Organisation im Bereich der globalen Gesundheit gestärkt werden. Ihre
Aufgabe
kann sie nur mit einer ausreichenden Ausstattung und einem starken Mandat
ausführen. Dafür
sind deutlich höhere zweckgebundene Beiträge an die WHO notwendig.
(331) Wenn multilaterale Prozesse in den Vereinten Nationen und der EU dauerhaft
blockiert
sind, braucht es im Sinne der Stärkung des internationalen Rechts und der
internationalen
Ordnung Vorreiter.
(332) In Zeiten von dysfunktionalen internationalen Institutionen bauen
informelle Formate
Brücken. Diese dürfen aber nicht Machtinstrumente gegenüber denen sein, die
nicht an ihnen
beteiligt sind. Zum Beispiel spielen die G20 eine wichtige Rolle für die
internationale
wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Bewältigung globaler Herausforderungen.
Sie müssen
für andere Akteure offen sein. Langfristig sollen die Beratungen der G20 in den
Sozial- und
Wirtschaftsrat der Vereinten Nationen überführt werden.
(333) Neben der staatlichen Zusammenarbeit unterstützen wir Bündnisse mit und
zwischen
Städten und Regionen, Wirtschaftsakteur*innen sowie Zivilgesellschaften.
Nichtstaatliche
Akteure gehören stärker in Aushandlungsprozesse auf bilateraler und
multilateraler Ebene
einbezogen und in ihrer Vernetzung untereinander unterstützt. Im Dialog mit der
globalen
Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft können neue Wege entwickelt und neue
Bündnispartner*innen gefunden werden, um die sozial-ökologische Modernisierung
voranzutreiben. Auch wenn es noch keine Einigung auf ein internationales
Vorgehen gibt, kann
so in zentralen Bereichen wie beim Handel oder in der Flucht- und
Migrationspolitik
vorangegangen werden.
(334) Zu einer fairen Globalisierung gehört die Stärkung regionaler
Wirtschaftskreisläufe
genauso wie die Mitbestimmung und demokratische Organisierung auf kommunaler und
regionaler
Ebene.
(335) Die eigene kulturelle, sprachliche und religiöse Identität zu leben, ist
für viele
Menschen wesentlich. Statt immer öfter in regionale Nationalismen,
Unabhängigkeitsbestrebungen oder gewaltsame Konflikte zu verfallen, brauchen wir
eine
Politik für nationale Minderheiten, die Beteiligungsrechte und kulturelle
Partizipation
sichert.
Globale Sicherheit
(336) Eine an universeller Würde und Freiheit orientierte Politik denkt
Sicherheit nicht von
nationalen Grenzen, sondern von jedem einzelnen Menschen her. Zivile
Krisenprävention,
Menschenrechte, die Gleichberechtigung der Geschlechter, eine gewaltfreie
Regelung von
Konflikten, Wiederaufbau, Klima- und Umweltschutz, gerechte Ressourcenverteilung
und die
Geltung des internationalen Rechts sind Grundlage einer nachhaltigen
Sicherheitspolitik.
(337) Über Frieden und Sicherheit nachzudenken sollte nicht erst beginnen, wenn
beides schon
in Gefahr ist. Konsequent auf alle Politikfelder angewandt kann das Prinzip der
Vorsorge
viel Leid verhindern.
(338) Zivile Krisenprävention muss noch stärker institutionell verankert werden.
Dazu bedarf
es ausreichender Analysekapazitäten, Regionalkompetenz, Wirkungsforschung und
eines
intensivierten Wissenstransfers zwischen Wissenschaft, Medizin, Praxis und
Politik. Zivile
Krisenprävention und politische Konfliktlösung haben unbedingt Vorrang vor dem
Einsatz
militärischer Gewalt. Wo sich multiple Krisen häufen, kommt es besonders darauf
an,
präventiv zu handeln.
(339) Das allgemeine Gewaltverbot der VN-Charta ist eine große Errungenschaft.
VN-geführte
Friedenseinsätze sind ein zentrales Instrument kollektiver Friedenssicherung und
als solche
trotz aller Defizite zu stärken.
(340) Die Europäische Union ist eine Friedensmacht. Das Primat des Zivilen und
das breite
Spektrum ziviler Instrumente zeichnen sie aus. Friedensmissionen, zivile
Krisenprävention,
Diplomatie, internationale Zusammenarbeit, humanitäre Hilfe und Auswärtige
Kultur- und
Bildungspolitik, Mediation, die Bereitstellung von Zivil- und Polizeiexperten,
Rechtsstaatsförderung und gesellschaftliche Verständigungsarbeit sind die
Stärken der
europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Sie muss institutionell, personell
und
finanziell gestärkt und noch enger verzahnt werden.
(341) Maßgabe einer starken Außenpolitik und Grundlage für Sicherheit ist die
gleichberechtigte Vertretung von Frauen auf allen Ebenen der internationalen
Politik. Es
gilt, in jedweder Art diplomatischer Verhandlungen oder bei der Zusammensetzung
sicherheits-
und außenpolitischer Gremien im Sinne einer feministischen Außenpolitik Frauen
gleichberechtigt zu beteiligen. Frauen sind in besonderem Maße von Kriegen und
gewaltsamen
Konflikten betroffen. Für den Frieden einzustehen heißt also auch, für den
Schutz der
Menschenrechte von Frauen Sorge zu tragen. Frauen spielen eine wichtige Rolle in
Versöhnungs- und Friedensprozessen. Ihr Ausschluss ist nicht nur eine
frauenspezifische
Diskriminierung, die über den Friedensschluss hinauswirkt, sondern er verhindert
stabilen
Frieden.
(342) Die Klimakrise ist ein globales Sicherheitsrisiko. Klimapolitik ist daher
ein
zentraler Bestandteil der globalen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik.
Dafür ist
ein internationales Rahmenwerk auf VN- und EU-Ebene zur Vermeidung von Klima-
und
Umweltkonflikten erforderlich, um Staaten und Regionen, die besonders von den
Folgen der
Klimakrise oder von Rohstoffknappheit, Dürren, Nahrungsknappheit und
Überschwemmungen
betroffen sind, zu schützen und zu unterstützen: die Responsibility to Prepare.
(343) Abrüstung, Rüstungskontrolle und die Nichtverbreitung von Waffen sind und
bleiben
wesentliche Pfeiler jeder Friedenspolitik. Abrüstung und Rüstungskontrolle
bringen am Ende
global mehr Sicherheit für alle. Es braucht ein strenges Regelwerk zur Abrüstung
und zum
Verbot von chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen
Massenvernichtungswaffen.
Dazu gehört eine Unterstützung des VN-Atomwaffenverbotsvertrags. Unser Anspruch
ist nichts
Geringeres als eine atomwaffenfreie Welt.
(344) Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktatoren,
menschenrechtsverachtende Regime
und in Kriegsgebiete verbieten sich. Es braucht eine gemeinsame restriktive
europäische
Rüstungsexportkontrolle mit starken Institutionen und im Einklang mit den EU-
Leitlinien für
Rüstungsexporte. EU-Mitgliedstaaten, die gegen verbindliche europäische
Rüstungsexportkriterien verstoßen, haben in Zukunft mit Sanktionen zu rechnen.
(345) Autonome tödliche Waffensysteme, die keiner Steuerung durch den Menschen
bei Auswahl
und Bekämpfung von Zielen unterliegen, stellen eine unberechenbare Bedrohung
dar. Es ist von
entscheidender Bedeutung für den Weltfrieden, autonome Waffentechnologien
international zu
ächten und zu verbieten. Um eine Militarisierung des Weltraumes zu verhindern,
brauchen wir
hohe Sicherheitsstandards und einen internationalen Verhaltenskodex.
(346) Europa muss sich gegen Angriffe auf seine kritische Infrastruktur
schützen. Um
Angriffe über und auf das Internet zu verhindern, braucht es mehr eigene
Anstrengung zur
Sicherung der Infrastruktur und ein internationales Vertragswerk.
(347) Die Anwendung militärischer Kriegsgewalt bringt immer massives Leid mit
sich. Wir
wissen aber auch, dass die Unterlassung in einzelnen Fällen zu größerem Leid
führen kann.
Handlungsleitend in der internationalen Sicherheitspolitik ist das erweiterte
VN-Konzept der
Schutzverantwortung (Responsibility to Prevent, Protect, Rebuild), das uns als
internationale Gemeinschaft verpflichtet, Menschen vor schwersten
Menschenrechtsverletzungen
und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen.
(348) Die Bundeswehr ist eine in internationalen Bündnissen verankerte
Parlamentsarmee.
Daraus erwächst eine Fürsorgepflicht des Parlaments gegenüber den Soldat*innen
sowie die
Verpflichtung, sie entsprechend ihrem Auftrag und ihren Aufgaben auszustatten.
Der Auftrag
und die Aufgaben der Bundeswehr orientieren sich an den realen Herausforderungen
für
Sicherheit und Friedenssicherung. Deutschland soll sich auf seine Bündnispartner
verlassen
können und genauso sollen sich die Bündnispartner auf Deutschland verlassen.
Direkte
Einsätze im Rahmen der VN haben dabei Vorrang vor Einsätzen der EU oder der
NATO.
(349) Die Prinzipien der „Inneren Führung“ und der „Staatsbürger*innen in
Uniform“ binden
die Soldat*innen an die Gesellschaft und die Werte und Normen des Grundgesetzes.
Eine
Bundeswehr, die fest in unserer Gesellschaft verankert ist, muss die Diversität
der
Gesellschaft abbilden. Das betrifft den Anteil von Menschen unterschiedlicher
sozialer
Herkunft, mit und ohne Migrationserfahrung, von People of Color sowie von
Frauen, die in der
Bundeswehr beschäftigt sind. Nicht zuletzt durch die schrecklichen Erfahrungen
der deutschen
Geschichte darf für Rechtsextremismus in der Bundeswehr kein Platz gelassen
werden.
(350) Der Einsatz von militärischer Gewalt ist immer nur äußerstes Mittel.
Bewaffnete
Einsätze der Bundeswehr im Ausland sind einzubetten in ein System gegenseitiger
kollektiver
Sicherheit und in ein politisches Gesamtkonzept, basierend auf dem Grundgesetz
und dem
Völkerrecht. Bei Eingriffen in die Souveränität eines Staates oder dort, wo
staatliche
Souveränität fehlt, braucht es ein Mandat der Vereinten Nationen. Wenn das
Vetorecht im
Sicherheitsrat missbraucht wird, um schwerste Verbrechen gegen die
Menschlichkeit zu decken,
steht die Weltgemeinschaft vor einem Dilemma, weil Nichthandeln genauso
Menschenrechte und
Völkerrecht schädigt wie Handeln.
(351) Gemeinsam mit den internationalen Partnern muss Europa seiner
Verantwortung für die
eigene Sicherheit und Verteidigung gerecht werden. Die gemeinsame europäische
Sicherheits-
und Verteidigungspolitik setzt eine gemeinsame europäische Außenpolitik voraus.
Wir wollen
an einer Sicherheitsunion arbeiten, die parlamentarisch kontrolliert ist.
Anstatt immer mehr
Geld in nationale militärische Parallelstrukturen zu leiten, sollte die
verstärkte
Zusammenarbeit der Streitkräfte in der EU ausgebaut und militärische Fähigkeiten
sollten
gebündelt werden. Sie brauchen dafür eine geeignete Ausstattung, den Ausbau von
EU-Einheiten
sowie eine Stärkung des gemeinsamen europäischen Hauptquartiers.
(352) Europäische Außen- und Sicherheitspolitik muss strategisch,
vorausschauend, umfassend
und schnell handlungsfähig sein. Dazu braucht es eine gemeinsame
Analysefähigkeit sowie eine
Stärkung des Europäischen Auswärtigen Dienstes. Schritt für Schritt sollen immer
mehr
Entscheidungen in diesem Bereich mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden
können.
(353) Die NATO ist ein unverzichtbarer und Renationalisierung entgegenwirkender
Bestandteil
der europäischen Sicherheitsarchitektur sowie der transatlantischen Beziehungen.
Sie leidet
unter divergierenden sicherheitspolitischen Interessen innerhalb der Allianz und
einer
unklaren strategischen Perspektive. Es braucht eine strategische Neuausrichtung.
Mit einer
stärkeren militärischen Zusammenarbeit und Koordinierung innerhalb der EU und
mit
Großbritannien können europäische strategische Interessen, gerade auch in der
NATO,
geschlossen und durchsetzungsstärker vertreten werden.
(354) Frieden in Europa bedeutet mehr als Frieden, Sicherheit und Stabilität in
der EU. Wir
teilen die Vision einer gesamteuropäischen Sicherheitsordnung innerhalb des
OSZE-Raums. Die
OSZE braucht eine Stärkung, um das Ziel eines Systems kollektiver Sicherheit in
ganz Europa
voranzubringen.
Globale Strukturpolitik
(355) In einer verflochtenen Welt verbinden und überkreuzen sich alle Bereiche
der Politik,
egal ob Umwelt-, Agrar-, Bildungs- oder Rechtspolitik, sogar und immer mehr auch
die
Innenpolitik der einzelnen Staaten. Für eine gerechte Globalisierung braucht es
deshalb eine
globale Strukturpolitik, die sich von einer „Politik nach außen“ löst und einen
abgestimmten
Ansatz verfolgt. Es ist an der Zeit, das Regieren und die Regierungsstrukturen
ins 21.
Jahrhundert zu führen. Das heißt auch, den Tunnelblick auf das eigene Ressort zu
beenden und
innere Widersprüche im Regierungshandeln konsequent auszuräumen. Alle
politischen
Entscheidungen müssen einem Nachhaltigkeitscheck unterzogen werden.
(356) Menschenrechte, die Klimaziele von Paris und die Agenda 2030 mit ihren 17
Zielen für
eine nachhaltige Entwicklung sind der Handlungsrahmen für eine globale
Strukturpolitik. So
wurden in der Vergangenheit unter anderem bereits große Erfolge bei der
Bekämpfung von Armut
und Hunger sowie dem Zugang zum Gesundheits- und Bildungssystem erreicht. Mit
unseren
Partner*innen gestalten wir zusammen weltweiten wirtschaftlichen Fortschritt im
Einklang mit
Krisenfestigkeit, sozialer Gerechtigkeit und innerhalb der planetaren Grenzen.
Um die
globalen Nachhaltigkeitsziele einzuhalten und das globale Zusammenleben
möglichst krisenfest
zu gestalten, braucht es kohärente Politik in allen Politikfeldern.
(357) Internationale Zusammenarbeit mit Staaten und Zivilgesellschaften in
ärmeren Regionen
der Welt ist weder auf Entwicklungszusammenarbeit zu reduzieren noch einseitigen
wirtschafts- oder sicherheitspolitischen Interessen unterzuordnen.
Internationale
Zusammenarbeit basiert vielmehr auf rechtebasierter Kooperation, dem
Partnerschaftsprinzip
bei globalen Herausforderungen.
(358) Die Fehler der Ausbeutung von Mensch und Natur müssen überwunden werden
durch ein
faires und nachhaltiges Wachstums- und Wohlstandsmodell. Aus den Verbrechen des
Kolonialismus erwächst für Deutschland und Europa eine besondere Verantwortung.
Wertegeleitete Politik hat ihr Handeln konsequent auf friedens-, menschenrechts-
und
klimapolitisch kontraproduktive Wirkungen zu prüfen und Schädliches zu
unterlassen.
(359) Es braucht öffentliche Entwicklungsfinanzierung. Sie gehört wirksam
ausgeweitet und
verbessert. Internationale Zusagen müssen verbindlich eingehalten und die
Förderung der
Geschlechtergerechtigkeit muss berücksichtigt werden. In der internationalen
Klimafinanzierung stehen die Industriestaaten gegenüber den ärmeren Ländern bei
der
Anpassung und Bewältigung der Schäden durch die Klimakrise in der Verantwortung.
(360) Als weltweit größter Geber hat die EU ein großes Potential für mehr
Kohärenz und
Effizienz in der globalen Strukturpolitik. Ziel ist mittelfristig eine
europäische
Vergemeinschaftung der nationalen Entwicklungspolitiken der Mitgliedstaaten.
Eine gemeinsame
europäische Entwicklungszusammenarbeit soll zu einem Kern des gemeinsamen
europäischen
Handelns werden.
(361) Die feministische Perspektive ist auch in der gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik der EU sowie in der internationalen Handelspolitik zu
verankern und
anzuwenden. Jede Planung und Durchführung von Projekten, etwa der
Entwicklungszusammenarbeit, ist darauf auszurichten, Geschlechtergerechtigkeit
zu fördern
und die gleichberechtigte Teilhabe an sozialen, ökonomischen und politischen
Ressourcen zu
verwirklichen.
(362) Eine lebendige Zivilgesellschaft trägt dazu bei, Korruption und soziale
Ungleichheit
zu bekämpfen. Sie fördert Transparenz, liefert wichtige Fakten und Impulse und
bereichert
öffentliche Debatten. Nachhaltiger Frieden und Demokratie sind auf eine aktive
Zivilgesellschaft angewiesen. Daher gilt es, die Handlungsspielräume einer
kritischen
Zivilgesellschaft global zu verteidigen.
Handel
(363) Internationaler Handel verbindet Menschen und Staaten, ermöglicht Teilhabe
an Gütern
und Dienstleistungen und die Verbreitung von Innovationen. Handel ist dabei kein
Selbstzweck, sondern dient einem gerechten Wohlstand und damit der menschlichen
Entfaltung.
Er soll fair gestaltet und demokratisch kontrolliert werden. Er muss zur
Umsetzung der UN-
Nachhaltigkeitsziele und des Pariser Klimaabkommens beitragen, anstatt diese zu
konterkarieren.
(364) Eine demokratische Welthandelsordnung unter dem Dach einer reformierten
WTO soll für
den regelgebundenen Ausgleich von Interessen stehen. Auch fortschrittliche
bilaterale
Abkommen sind wichtige Schritte auf diesem Weg, wenn sie transparent und
demokratisch
zustande kommen und sich an globalen Gemeinwohlinteressen ausrichten.
(365) Europäische Handelspolitik ist ein starkes Instrument, um Umwelt- und
Klimaschutz, die
Einhaltung der Menschenrechte und soziale Standards wie den Schutz von
Arbeitnehmer*innen-
Rechten mit Wirtschaftsinteressen in Einklang zu bringen und weltweit
durchzusetzen.
Bereiche der Daseinsvorsorge, also öffentliche Güter wie beispielsweise Bildung,
Gesundheit
oder Wasser, sind staatliche Aufgaben und unterliegen einem öffentlichen
Interesse.
Sonderrechte und Sonderjustiz für Konzerne sind auszuschließen.
(366) Es braucht weltweit eine regionale Versorgungsicherheit mit
überlebensnotwendigen
Lebens- und Arzneimitteln. Daher dürfen diese nicht allein krisenanfälligen
globalen
Lieferketten überlassen werden, sondern müssen auch im europäischen Binnenmarkt
produziert
werden können.
(367) Handelsabkommen sind stark, wenn sie regionale Wirtschaftskreisläufe
beachten und
Instrumente beinhalten, welche die Einhaltung der Nachhaltigkeitsziele sichern,
wie zum
Beispiel Mindeststandards oder Handelsbeschränkungen.
(368) Fairer Handel braucht einen Abbau der Ungleichgewichte im Welthandel und
in der
Eurozone. Deutschland hat dabei eine besondere Verantwortung und sollte mit
öffentlichen
Investitionen, guten Löhnen oder einer Stärkung der Binnennachfrage seinen
Handelsbilanzüberschuss schrittweise reduzieren.
(369) Ärmere Länder sind im Welthandel mit einer asymmetrischen Zollpolitik zu
stärken. Sie
sollen souverän entscheiden, welche Bereiche ihrer Wirtschaft sie öffnen und
welche sie
vorerst schützen wollen. Industriestaaten müssen unter Berücksichtigung hoher
ökologischer
und sozialer Standards ihre Märkte hingegen für diese Länder öffnen. Denn formal
gleiche
Rechte bei ungleich verteilter ökonomischer Macht führen zu ungerechten
Ergebnissen.
(370) Herstellung, Produktion und Transport der Waren für den europäischen Markt
müssen frei
sein von ausbeuterischer Arbeit, Menschenrechtsverletzungen und Kinderarbeit.
Dafür soll
Fair Trade Standard werden. Das gilt für den gesamten Weg der Lieferketten und
ist über
vollständige Transparenz, etwa durch digitale Verfahren und gesetzliche
Verpflichtungen,
herzustellen.
Finanzmärkte und Währungsordnung
(371) Unregulierte globale Finanzmärkte haben zu Beginn des 21. Jahrhunderts
eine schwere
Wirtschaftskrise ausgelöst und in Schwellenländern immer wieder zu schweren
Verwerfungen
geführt. Kurzfristige, spekulative Finanzströme sollen daher reguliert,
verteuert und
notfalls verboten werden. Auch mit Steuerumgehung und nicht gesicherten
Spekulationen soll
künftig kein Geld mehr verdient werden. Steuersümpfe müssen trockengelegt und
internationale
Steuerhinterziehung muss bekämpft werden.
(372) Nachhaltige internationale Direktinvestitionen fördern die weltweite
Entwicklung und
gehören zu einer starken europäischen Außenwirtschaftspolitik. Eine gerechte
Weltwährungsordnung ermöglicht allen Ländern, nicht nur den wohlhabenden, eine
langfristige
und damit verlässliche Finanzierung von Investitionen. Neben einer Regulierung
von
kurzfristigem Kapitalverkehr braucht es dafür die Stabilisierung von
Wechselkursen.
(373) Nur globale öffentliche Institutionen können uns gegen spekulative
Attacken auf
Staaten und ihre Währungen absichern. Langfristiges Ziel ist daher eine
weltweite
Kooperation der Zentralbanken sowie eine Stärkung und Demokratisierung des IWF.
So soll
Liquidität sichergestellt, dem globalen Finanzmarkt ein stabiler Rahmen gesetzt
und Krisen
sollen so verhindert werden. Die Europäische Zentralbank steht schon jetzt in
der
Verantwortung, die Auswirkungen ihrer Politik auf weniger und am wenigsten
entwickelte
Länder zu berücksichtigen sowie Wechselkurse zu stabilisieren und abzusichern.
So hilft
europäische Geldpolitik, spekulative Kapitalflucht aus diesen Ländern zu
vermeiden und deren
Entwicklung zu fördern.
(374) Überschuldung schadet insbesondere den Ärmsten der Armen. Aber sie bremst
auch die
Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele, gefährdet Gesundheitsversorgung,
Bildung und
Infrastruktur in vielen Ländern. Die internationale Gemeinschaft muss
regelbasierte
Verfahren ermöglichen, um bei Zahlungsunfähigkeit von Staaten durch
Schuldenerlasse,
Zahlungsaufschübe oder einen Schuldenschnitt einen Ausgleich zu finden.
(375) Zu einer weltpolitikfähigen EU gehört eine sichere und starke Währung. Der
Euro soll
zu einer globalen Leitwährung werden. Voraussetzung dafür sind eine gemeinsame
Fiskalpolitik
der EU sowie die Herausgabe sicherer und liquider gemeinsamer Anleihen,
abgesichert mit
eigenen Steuerquellen. Europas strategische Souveränität soll auch durch eigene
europäische
Zahlungssysteme und ein digitales Zentralbankgeld sichergestellt werden.
Migration und Flucht
(376) Migration ist etwas zutiefst Menschliches und war stets Triebfeder für
Entwicklung und
globale Zusammenarbeit, genauso Quelle von Innovation. Der Globale Pakt für
Migration stärkt
und sichert die Rechte und die Freiheit von Menschen, die in anderen Ländern
leben, arbeiten
oder zur Schule gehen. Er ist Grundlage für die internationale Verständigung zum
rechtsbasierten Umgang mit Migration und soll in diesem Sinne weiterentwickelt
werden. Seine
Prinzipien müssen national verbindlich umgesetzt werden.
(377) Migration braucht legale Zugangswege. Deutschland ist ein
Einwanderungsland. Deshalb
braucht es ein Einwanderungsgesetz mit klaren Kriterien für legale Einwanderung.
Das
schließt mit ein, dass Menschen ihren Status wechseln und zwischen ihrem
Herkunftsland und
dem Wohnort hin- und herreisen können. Menschen, die hier leben, sollen schnell
den Zugang
zu staatsbürgerlichen Rechten bekommen. Dafür braucht es ein modernes
Staatsbürgerschaftsrecht.
(378) Flucht ist, wenn Menschen aufgrund von politischer Verfolgung, Folter,
massiven
Menschenrechtsverletzungen oder Krieg gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen.
Das
international verankerte Recht, in einem anderen Land Schutz zu suchen, beruht
auf den
Lehren aus dem Menschheitsverbrechen der Shoah. Die völkerrechtlich
verbindlichen Regeln,
insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention, gelten uneingeschränkt. Das
individuelle
Grundrecht auf Asyl ist Grundpfeiler einer menschenrechtsorientierten Politik
und muss
unangetastet bleiben.
(379) Die weltweite Zahl von Menschen auf der Flucht steigt auch durch
klimabedingte
Katastrophen, die wiederum bestehende Konflikte weiter verschärfen. Ziel muss
sein, durch
Klimaanpassung und -schutz zu verhindern, dass Menschen aufgrund der Klimafolgen
ihre Heimat
verlassen müssen. Menschen, denen Staatenlosigkeit droht oder die dauerhaft ihre
Heimat
verlieren, brauchen Möglichkeiten zur würdevollen Migration. Sie dürfen nicht in
eine
Schutzlücke geraten. Perspektivisch brauchen sie einen völkerrechtlichen
Schutzstatus.
(380) Duldungen bedeuten einen Zustand in der Schwebe, fortdauernde Unsicherheit
und
Perspektivlosigkeit. Ein solcher Ausnahmezustand muss wieder zur Ausnahme
werden. Menschen,
die dauerhaft hier leben, brauchen ein Bleiberecht. Abschiebungen in Kriegs- und
Krisengebiete verbieten sich.
(381) Ordnung braucht Humanität. Humanität braucht Ordnung. Rechtsstaatliche und
geordnete
Verfahren ermöglichen die Wahrnehmung der menschenrechtlichen Verantwortung der
EU. Der
sichere und geordnete Zugang zu einer menschenwürdigen Erstversorgung sowie zu
fairen, nach
völkerrechtlichen Standards ausgerichteten Asylverfahren in Europa ist zu
gewährleisten.
Dafür braucht es kontrollierte EU-Außengrenzen, eine zuverlässige Registrierung
–
perspektivisch über eine eigene europäische Asylbehörde – sowie schnelle,
rechtsstaatliche
Verfahren und ein einheitliches europäisches Asylsystem, das die Verantwortung
innerhalb der
EU fair verteilt.
(382) Um eine humanitäre Versorgung von geflüchteten Menschen auch außerhalb der
Europäischen Union zu unterstützen, sind Kooperation und Solidarität mit
Nachbarstaaten und
weiteren Aufnahmeländern notwendig. Besonderen Schutz brauchen vulnerable
Gruppen wie zum
Beispiel LGBTIQ, Frauen, Kinder, alte und kranke Menschen.
(383) Das Bekämpfen von Fluchtursachen heißt, die Gründe für Flucht und nicht
die Menschen
auf der Flucht zu bekämpfen. Europäische Wirtschafts-, Finanz-, Handels-, Agrar-
oder
Rüstungsexportpolitik müssen konsequent auf ihre soziale und wirtschaftliche
Wirkungen in
Drittstaaten überprüft werden und nach dem Pariser Klimaabkommen, den
Nachhaltigkeitszielen
der Vereinten Nationen sowie den Menschenrechten gestaltet sein.
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