Veranstaltung: | KüstenGrün Grundsatz |
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Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 28.08.2020, 17:11 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A5NEU: Kapitel 3: Fortschritt gestalten
Text
Wissenschaft und Forschung
(134) Im Zentrum allen Fortschritts steht der Mensch in seiner Würde und
Freiheit. Der
technologische Wandel muss so gestaltet werden, dass er Mensch und Umwelt nützt.
(135) Wissenschaft und Forschung schaffen Zukunft. Frei denken und
experimentieren ist Basis
für neue Ideen und Kreativität. Forschungs- und Erfindungsgeist helfen,
Transformationen zu
gestalten. Sie können nur in Freiheit gedeihen und genießen zu Recht besonderen
Schutz.
Zukunftsentwürfe müssen sich am Gemeinwohl orientieren und sie müssen mit der
Gesellschaft
für die Gesellschaft gestaltet werden. Vielfalt an Wissen und Zugängen
ermöglicht
zukunftstaugliche Lösungen bei Krisen.
(136) Forschungsergebnisse sind zunächst Möglichkeiten. Sie bieten enorme
gesellschaftliche
Chancen, tragen aber auch das Risiko, missbraucht zu werden. Technologischer
Fortschritt ist
nicht über jeden Zweifel erhaben, sondern unterliegt ethischen Prinzipien wie
dem
Vorsorgeprinzip. Das beinhaltet auch die Freiheit, an bestimmten Entwicklungen
nicht
weiterzuarbeiten, wenn sie gegen ethische Grundprinzipien verstoßen.
(137) Nur zusammen mit der Wissenschaft kann unsere Gesellschaft die vor uns
liegenden
Herausforderungen in Angriff nehmen, wie die Wasserknappheit, die Klimakrise,
Ressourceneffizienz oder Elektromobilität. Wissenschaftlich-technologischer
Fortschritt hat
zu vielen globalen Krisen beigetragen und ist zugleich ein Weg, sie zu lösen.
(138) Um qualifiziert abwägen und entscheiden zu können, braucht es Forschung –
nicht nur an
Technologien, sondern auch zu ihren Risiken und Auswirkungen. Ethische Fragen
müssen in der
Wissenschaft und mit der Gesellschaft diskutiert und demokratisch verhandelt
werden.
Wissenschaft kann Politik nicht ersetzen.
(139) Gerade die freie, auf Neugier und Erkenntnis gerichtete
Grundlagenforschung ist neben
der Anwendungsforschung zur Bewältigung großer gesellschaftlicher
Herausforderungen
ausreichend abzusichern. Wir brauchen eine Vielzahl von Alternativen und können
angesichts
der vielfältigen Krisen in der Welt keine Möglichkeit, sie zu lösen, von
vornherein
ausschließen. Entsprechend brauchen wir mehr und strukturell gut ausfinanzierte
Grundlagenforschung.
(140) Grundlage für das gesellschaftliche Vertrauen in Wissenschaft sind hohe
Standards
wissenschaftlicher Arbeit. Wissenschaftliche Ergebnisse und Methoden unterliegen
der
Objektivität, Repräsentativität, Validität und der Reproduzierbarkeit. Der freie
Informationsaustausch, die Überprüfbarkeit von Interessenkonflikten sowie die
Veröffentlichung von Forschungsergebnissen sollen Grundprinzipien sein.
Öffentliche
Regulierung, beispielsweise zur Zulassung von neuen Präparaten oder Techniken,
muss auf
öffentlich kontrollierter und unabhängiger Forschung beruhen.
(141) Eine freie, auskömmlich öffentlich finanzierte Wissenschaft steht in einem
Rechenschaftsverhältnis zur Gesellschaft. Deswegen braucht es Transparenz
darüber, wie
Forschung finanziert wird, welche Projekte und Themen beforscht werden.
Forschungsförderung
darf nicht allein auf die ökonomische Verwertbarkeit ausgerichtet werden.
Öffentlich
finanzierte Forschungsergebnisse müssen der Gesellschaft im Sinne des Open
Access zugänglich
gemacht werden.
(142) Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind als unabhängige öffentliche
Einrichtungen
für das Entstehen technischer ebenso wie sozialer und geistiger Innovationen
unabdingbar.
Das funktioniert nur mit gut finanzierten Hochschulen, die dazu auch unabhängig
von
Drittmittelfinanzierung die Möglichkeit bieten.
(143) Hochschulen waren und sind auch ein Ort der kritischen Selbstreflexion
unserer
Gesellschaft. Wissenschaft analysiert gesellschaftliche Veränderungen, erkennt
frühzeitig
politische Umbrüche und diskutiert sie. In einer komplexer werdenden Welt
gewinnen gerade
Geistes- und Sozialwissenschaften sowie interdisziplinäres Arbeiten und Forschen
an
Bedeutung.
(144) Wissenschaftler*innen und Studierende brauchen zeitliche und inhaltliche
Freiräume, um
aus dem Studium mehr mitzunehmen als nur berufsbezogenes Wissen. Das Studium
soll
grundsätzlich gebührenfrei sein. Es braucht die Möglichkeit des von sozialer
Herkunft
unabhängigen Studierens. Personengruppen und Perspektiven, die bislang in
Wissenschaft und
Forschung unterrepräsentiert sind, sollen gezielt eingebunden und gefördert
werden.
Forschung braucht Vielfalt an Talenten.
Digitalisierung
(145) Digitalisierung kann genutzt werden, um Großartiges zu leisten, aber auch,
um
Gesellschaften zu manipulieren bis hin zu digitalen Diktaturen. Sie kann zu
Engagement
motivieren und neue Solidarität stiften, aber auch zur Passivität und zur
Vereinsamung
führen. Sie hat die Potentiale, das Gesundheitssystem massiv zu entlasten,
Energie
einzusparen oder Verkehr effizienter zu lenken. Politik hat die Aufgabe, die
Digitalisierung
so zu gestalten, dass sie Freiheitsgrade und Selbstbestimmung verstärkt, statt
sie
einzugrenzen. Dazu ist es unerlässlich, neben Technologiefirmen und staatlichen
Stellen auch
die Zivilgesellschaft zentral in die Entwicklung und den Ausbau der
Infrastruktur
einzubeziehen.
(146) Ein Mensch ohne Privatsphäre ist niemals selbstbestimmt. Informationelle
Selbstbestimmung und informationstechnische Sicherheit sind zu garantieren.
Ebenfalls, dass
Daten im Internet auch wieder gelöscht werden (Recht auf Vergessenwerden).
(147) Jeder Mensch hat ein Recht, sich frei zu informieren und frei zu
kommunizieren. Die
digitale Transformation kann allen Individuen mehr Macht verleihen. Sie bringt
eine neue
Welle der Aufklärung mit sich. Menschen werden von Nutzer*innen zu
Gestalter*innen. Dabei
müssen die alten Fragen der Moderne nach Freiheit, Gleichberechtigung, Vernunft
und Moral
neu beantwortet werden.
(148) Der Umgang mit Daten muss von klaren Kriterien geleitet sein:
Nachvollziehbarkeit,
Transparenz, Nichtdiskriminierung, Schutz von Privatheit und Freiheit im Netz.
Das bedeutet
auch, eine angemessene Vergütung für Künstler*innen und Kulturschaffende
sicherzustellen.
(149) Übermäßige Datenmacht und Datenmonopole gilt es zu verhindern und
aufzubrechen.
Unternehmen und Behörden, die über viele Daten verfügen, müssen ihre Daten der
Allgemeinheit
anonymisiert zur Verfügung stellen. Open Source und Open Data sind die
europäische Antwort,
um einer unkontrollierten Datenmacht von Staaten wie von Unternehmen
entgegenzuwirken.
(150) Die Bedeutung von datenverarbeitenden und selbstlernenden Systemen nimmt
stetig zu.
Sie greifen teils direkt in die Lebenswelt der Menschen ein und treffen eigene
Entscheidungen. Deshalb braucht es für diese Systeme klare Haftungsregeln.
Algorithmen, die
digitale Prozesse steuern, müssen nachvollziehbar sein, damit sie kontrolliert
werden
können.
(151) Ethisch-normative Prinzipien dürfen nur von Menschen aufgestellt werden.
Automatisierte Entscheidungen müssen von natürlichen oder juristischen Personen
verantwortet
werden. Entscheidungen über Leben und Tod dürfen nur von Menschen getroffen
werden, nicht
von Maschinen und Algorithmen.
(152) Frauen sollen die digitale Welt gleichberechtigt mitgestalten. Es gilt,
Frauen
speziell zu fördern und Hemmnisse abzubauen, damit sie sich in digitalen Berufen
etablieren
und Vorbilder sein können.
(153) In einer global verflochtenen Welt wird technologischer Wandel effizienter
durch
internationale Kooperation. Die Rahmenbedingungen dafür sollten zumindest
europäisch gesetzt
werden.
(154) In einer Wertesystemkonkurrenz zwischen einem regulierten kapitalistischen
und einem
autoritär gelenkten Fortschritt streben wir eine größere technologische
Souveränität Europas
an, damit sich Europas Bürger*innen auch in einer technisierten Welt mündig,
aufgeklärt und
damit selbstbestimmt bewegen können. Das gilt insbesondere für kritische
Infrastruktur.
(155) Der Innovationsstandort Europa soll im globalen Kontext ausreichend
finanziert werden.
Das umfasst die Förderung offener Hard- und Software sowie offener Standards.
Dem Gedanken
der Demokratie widersprechen Akkumulationen von Märkten, aus denen weltweit
agierende
Konzerne hervorgehen, die mächtiger sind als Staaten.
Bioethik
(156) Im medizinischen Bereich stellen sich ethische Fragen nach den Grenzen des
Handelns
ganz besonders. Vor allem dort, wo durch Veränderungen des Erbguts auch das
Leben künftiger
Generationen betroffen ist. Eingriffe in die menschliche Keimbahn sollen
ausgeschlossen und
der strenge Embryonenschutz soll beibehalten werden.
(157) In der Medizin braucht es eine vorausschauende Ethik mit klaren Kriterien:
Menschenwürde, Freiheit und Selbstbestimmung sowie Verantwortung gegenüber den
nachfolgenden
Generationen. Vorausschauend können zum Beispiel Moratorien sein, um ethische
Grenzfragen
genauer beurteilen sowie Risiken, Gefahren und Auswirkungen auf künftige
Generationen
exakter abschätzen zu können oder Forschungen auch gar nicht durchzuführen. Das
Klonen von
Menschen ist auszuschließen.
(158) Menschen sollen selbstbestimmt Entscheidungen über ihren Körper und ihr
Leben treffen
können. Voraussetzung dafür ist eine umfassende Information, damit Vor- und
Nachteile
abgewogen werden können.
(159) Reproduktionsmedizin bietet die Möglichkeit zur selbstbestimmten
Elternschaft. Dabei
müssen Frauen frei von patriarchaler Bevormundung und ökonomischem Druck sein.
Alle Kinder
benötigen einen klaren Rechtsstatus.
(160) Auch wenn die Versprechen der klassischen Gentechnik bis heute nicht
eingelöst sind,
so sind alte und neue gentechnische Verfahren doch in der Welt. Unser Kompass
zum Umgang mit
ihnen ist wie bei jeder Technologie, die Folgen der jeweiligen Anwendung für
Mensch und
Umwelt zu beurteilen. Nicht die Technologie, sondern ihre Chancen, Risiken und
Folgen stehen
im Zentrum. Forschung zu neuer Gentechnik soll ebenso gestärkt werden wie
alternative
Ansätze, die auf traditionelle Züchtungsverfahren setzen. Auch bei neuen
gentechnischen
Verfahren braucht es Risikoforschung. Wir halten an einem strengen
Zulassungsverfahren und
an der europäischen Orientierung am Vorsorgeprinzip fest. Es darf keine Patente
auf den
Genpool der Natur geben. Alle Züchtungen von Pflanzen und Tieren sind unter eine
Open-
Source-Lizenz zu stellen, die eine Patentierung ausschließt.
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